Die Schwesterngemeinschaft der Salvatorianerinnen in Meran/Obermais hat nach langem Überlegen beschlossen, den Mittelteil des Klostergartens, der jahrzehntelang als Kräuter-, Gemüse- und Ziergarten diente, umzugestalten und ihm eine neue, alte Bestimmung zu geben: als „locus amoenus“, als „psyches latreion“, als Heilstätte für Geist und Seele. Mit der Segnung durch Hauskaplan Benedikt Laib am Donnerstag, 27. Juni 2019, wird der Garten seiner künftigen Bestimmung für Schwestern, Gäste und Heimschülerinnen zugeführt.
Am Mauerwerk zersprüht die Zeit. Und wenn der Kräfte weniger werden, gilt es, manches jahrzehntelang Bewährte abzustreifen und aus der Not eine Tugend zu machen. So geschehen, was das 20 mal 24 Meter große Mittelstück des Gartens der Salvatorianerinnen in Meran/Obermais betrifft. Die Kräfte der älteren Schwestern reichten nicht mehr aus, den kostbaren Nutzgarten in Schuss zu halten. Für einen hauseigenen Gärtner reichen die zeitlichen und wirtschaftlichen Ressourcen nicht.
Die neu angedachte und von der Gärtnerei „Rasenfix“ aus Andrian umgesetzte Lösung verspricht eine Inspirationsquelle für Leib, Geist und Seele und eine Augenweide für alle Sinne zu werden. Ein prächtiger Garten voll Symbolik - und dennoch ein Garten frappierender Einfachheit und Symmetrie, der Spiritualität des Gründers der Kongregation, Pater Franziskus Maria vom Kreuze Jordan, verpflichtet.
Symbole als elementare Bausteine – Die Zahl drei
„Ein Symbol aber ist nicht allein Zeichen, vielmehr ist es in seiner Vielschichtigkeit wesentlich wirksamer. ... Hinter ihnen stehen geistige Wirkprinzipien, die über ihr Betrachten auch auf uns einwirken, ... auch wenn sich der Mensch der Symbolik nicht mehr bewusst ist“, stellt Diplom-Ingenieur und Verfasser des Buches „Der Paradiesgarten“, Stefan Brönnle, fest.
Der Garten also als Seelenlandschaft? Betrachtet man die Gartenarchitektur im Haus „Mater Salvatoris“ in Meran/Obermais, so bestätigt sich diese Vorstellung.
Bereits der Rahmen besticht. Hier verbindet sich Altes mit Neuem: von drei Seiten säumen die Garteninsel auf der einen Seite eine dichte, meterhohe Jasminhecke und auf der Längsseite eine immergrüne Tamariskenwand. Auf der Stirnseite grenzen unter anderem eine Pinie, ein Ahornbaum, ein Granatapfel- und ein Tulpenbaum die Besinnungsoase ab und werfen in den Nachmittagsstunden ihre langen, eleganten Schatten. Die vierte Seite ist zur Gänze der Außenfassade der Kapelle zugewandt einschließlich der Sitzecke mit drei Holzbänken im innersten der drei konzentrischen, offenen Kreise, die das Grundstück gliedern. In dessen Zentrum umspielt ein aufsteigender Wasserstrahl einen Globus aus Inox, eine Reverenz an den Gründer der Salvatorianerinnen, P. Jordan, dessen Vision des „Omnibus ubique“ hierin symbolisch Gestalt und Gehalt annimmt und alle, alle, alle zur Reflexion und Meditation einlädt. Diese Mitte steht in der jahrhundertelangen Überlieferung für die so genannte „Quinta essentia“, also das fünfte Element, also den Äther, der antiken griechischen Philosophie folgend, das Hauptelement des Himmlischen. Der aufsteigende Wasserstrahl steht symbolhaft für die Zahl drei, die Trinität: der Fluss, der Strahl, das Becken. Die heilige Zahl drei setzt sich im neu gestalteten Teil des Gartens der Salvatorianerinnen fort in den drei Amelanchiern, einer der 25 Felsenbirnenarten, im zweiten Kreis, in drei Wegen, die die Kreise schneiden, in drei Grünflächen, drei Hochbeeten, drei Metallwasserhähnen, die ein Kneipp-Becken speisen, und den drei Stufen aus Porphyr, über die man auf zwei Seiten in dieses Becken steigt.
Die sparsame, aber bedachte Bepflanzung folgt wiederum dem uralten Klostergarten-Prinzip: der Verbindung zwischen dem Utile und dem Iucundum, dem Nützlichen und dem Schönen: Beerensträucher, Heilpflanzen und Kräuter für den klösterlichen Hausgebrauch stellen einen unmittelbar greifbaren materiellen Nutzwert dar, der aus keinem Hausgarten wegzudenken ist. Wohltuende Aromata, eine jahreszeitlich wechselnde Farbenpracht, eine Augenweide pur, und das Flöten der Amsel, das Zirpen der Grille und – wie weit entfernt – Geräusche von außen, die das satte Grün des Klostergartens wunderbar dämpft, regen und beleben die Sinne.
Aus dem wunschlosen Unglück, den Luxus eines Gartens zu haben, aber keine Menschen mehr, die das Gärtnern schaffen, hat die Schwesterngemeinschaft der Salvatorianerinnen nun einen Teil des Kleinods Garten durch eine kleine Oase der Belebung von Körper, Geist und Seele ergänzt.
Wohl bekomm’s auf einem kleinen Rundgang durch Mutter Erdes Seelenpfründe!